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"Sketchnotes" vs. "Visualisieren" - Worum geht es eigentlich?

Es tut sich was im Bildungsbereich! Auf allen möglichen Kanälen entdecke ich zurzeit immer mehr Posts zum Thema Sketchnotes in der Schule und tolle Beispiele aus dem Unterricht. Das freut mich sehr! Wie die meisten von euch wissen, bin ich eine glühende Verfechterin von visuellen Methoden. Meiner Meinung nach gehören Sketchnotes als Lerntechnik in die Bildungspläne und Visualisierungsskills in die Aus- und Fortbildung von Lehrkräften. 

Und da bin ich auch schon bei dem Thema, das mich im Augenblick umtreibt: "Sketchnotes" versus "Visualisierung". Mir ist nämlich aufgefallen, dass diese beiden Begriffe in der Praxis oft etwas undifferenziert miteinander vermischt werden bzw. der Begriff Sketchnotes für alles eingesetzt wird, was in irgendeiner Form mit Visualisierung zu tun hat.

 

Da liest und hört man z.B. davon,

  • dass Sketchnotes super sind zum Lernen
  • dass man mit Sketchnotes Tafelbilder erstellen kann, die sich die Schüler:innen dann besser merken können
  • dass durch Sketchnotes eine doppelte Codierung der Begriffe im Gehirn stattfindet
  • dass Sketchnotes Kopf, Herz und Hand aktivieren
  • dass man Sketchnotes einsetzen kann, um sich Symbol-Karten für den Unterricht zu erstellen
  • dass man als Lehrkraft mit Sketchnotes Arbeitsblätter aufwerten kann.

Alles grundsätzlich richtig. Aber eben auch nur grundsätzlich. Genau genommen müsste man da begrifflich exakter unterscheiden. 

 

Sketchnotes in ihrer ursprünglichen Bedeutung sind ja, wie der Name schon sagt, eine Verknüpfung von einfachen Symbolen und schriftlichen Notizen. Sketchnotes fertigt eine Person für sich selber an - im Bildungsbereich z.B. um einen Vortrag mitzuzeichnen oder Unterrichtsinhalte für sich visuell zusammenzufassen. Bei diesem Vorgang werden tatsächlich Kopf, Herz und Hand aktiv: Informationen müssen dafür nämlich aufgenommen, gefiltert, zusammengefasst, in Beziehung gesetzt und letztendlich visuell dargestellt werden. Es handelt sich also keineswegs um einen "einfachen" Zeichenprozess, sondern um eine komplexe kognitive Leistung - also sozusagen um eine Methode, Informationen zu verarbeiten.

Das ist wahrscheinlich auch der Grund dafür, dass man sich Informationen, die man als Sketchnotes festgehalten hat besser merken kann als rein textbasierte Mitschriften. Übrigens unabhängig davon, wie gut man zeichnen kann und wie "schön" eine Sketchnote geworden ist. Glaubt ihr nicht? Dann guckt mal in diese wissenschaftliche Studie der Universität Waterloo...;-)

 

Sketchnotes haben also für die Person, die sie anfertigt, einen hohen und nachhaltigen Lerneffekt. Für mich sind sie eine Lerntechnik, die den Schüler:innen spätestens zu Beginn der Mittelstufe vermittelt werden sollte, um ihnen ein Tool an die Hand zu geben, die zunehmende Menge und Komplexität von schulischen Inhalten zu bewältigen. 

Jetzt werden einige vielleicht sagen, dass diese Methode sehr speziell ist und nicht allen Lernenden liegen wird. Das mag sein! Allerdings sollte meiner Meinung nach jede:r die Möglichkeit haben, diese Technik zumindest auszuprobieren. Die Strategie, rein schriftliche Notizen in endlosen Reihen linear untereinander zu schreiben verfolgen Schüler:innen nicht deshalb, weil es für sie effektiver ist, sondern weil sie es in der Regel nicht anders kennengelernt haben...;-)

 

Ein Tafelbild, das mit visuellen Symbolen angereichert ist, ist wunderbar und hilft den Lernenden auch, sich die Inhalte besser zu merken. Es ist aber genau genommen keine Sketchnote, da die Schüler:innen in diesem Fall die visuellen Informationen eher passiv aufnehmen und nicht aktiv selber erstellt haben. Deshalb würd ich in diesem Fall eher von eine Visualisierung sprechen, d.h. die Lehrkraft visualisiert die Inhalte für ihre Schüler:innen. Das Gleiche gilt natürlich auch für den Einsatz von Symbolen auf Arbeitsblättern, Materialien oder digitalen Plattformen. Hierbei handelt es sich um eine Methode, um Informationen zu präsentieren.

Versteht mich bitte nicht falsch. Für mich ist Visualisierung im Unterricht nicht weniger wert als Sketchnotes mit den Schüler:innen. Im Gegenteil - ich finde, es gehört zu den Kernkompetenzen einer Lehrkraft, Unterrichtsinhalte visuell veranschaulichen zu können. Und natürlich profitieren die Schüler:innen davon:

  • Begriffe, die man gleichzeitig als Wort und als Bild aufnimmt, bleiben länger im Gedächtnis (Dual-Coding-Theory nach Alan Paivio).
  • Informationen werden von den Schüler:innen über mehrere Sinne aufgenommen, was übrigens nicht nur für Schüler:innen mit Förderbedarf, sondern für alle Lernenden grundsätzlich hilfreich ist. 
  • Visualisierung ist sozusagen eine weitere Kommunikationsmöglichkeit, die Schüler:innen mit geringen Deutschkenntnissen in besonderem Maße zugute kommt.
  • Bilder erzeugen Emotionen und verstärken auf diese Weise nicht nur den Spaß, sondern auch den Lerneffekt.

Aber didaktische Visualisierungen durch einer Lehrkraft sind genau genommen keine Sketchnotes. Sie werden manchmal so bezeichnet, weil ähnliche Symbole verwendet werden. Die einfachen Symbole aus der Sketchnote-Technik lassen sich nämlich auch von Anfänger:innen relativ schnell erlernen und eignen sich wunderbar, um Tafelbilder o.ä. damit visuell anzureichern.

 

Jetzt werdet ihr mich wahrscheinlich für ganz schön pingelig halten und denken, dass es doch letztendlich egal ist, wie man das Ganze nennt - Hauptsache, die Unterrichtsinhalte werden anschaulicher...

Jooaahh, kann man so sehen. Mir persönlich ist die Unterscheidung deshalb wichtig, weil ich möchte, dass sowohl das Thema Sketchnotes als Lerntechnik als auch das Thema didaktische Visualisierung von den Entscheidungsträgern im Bildungssystem ernst genommen und vorangebracht wird. Dafür ist eine saubere Abgrenzung die Voraussetzung. 

 

Auch bei Buch- und Workshop-Titeln wünsche ich mir manchmal etwas mehr Genauigkeit. Was genau versteckt sich hinter einem Workshop mit dem Titel "Sketchnotes in der Schule"? Sketchnote-Technik? Visualisierungs-Skills für Lehrkräfte?

Wenn ihr selber eine Fortbildung in diesem Themenbereich machen möchtet, lohnt es sich, genau hinzugucken, worum es inhaltlich eigentlich geht. Und ihr müsst euch natürlich selber im Klaren sein, was ihr eigentlich lernen möchtet: die klassische Sketchnote-Technik oder Visualisierungsskills für den Einsatz im Unterricht bzw. in der Lehre?

 

Meiner Meinung nach sind Visualisierungs-Fähigkeiten die breite Basis, von der ausgehend man sich viele Anwendungsbereiche erschließen kann. Sketchnotes mit Schüler:innen ist nur eine Anwendungsmöglichkeit. Wer visualisieren kann, kann auch

  • Lernlandkarten entwickeln
  • Arbeitsmaterialien gestalten
  • Präsentationen visuell anreichern
  • Erklärvideos drehen
  • visuelle Geschichten erzählen
  • Gespräche visuell begleiten

und vieles mehr! Wofür setzt ihr Visualisierungstechniken in der Schule ein...?

 


Du würdest auch gerne im Unterricht visualisieren, ...

  • ... aber du glaubst du kannst nicht zeichnen? Ich glaube, das stimmt nicht! Warum ich das glaube, verrate ich dir hier...
  • ... aber du hast keine Ideen, welche Symbole du im Unterricht einsetzen kannst? Dann ist vielleicht dieses Buch etwas für dich. Es enthält eine Vielzahl von unterrichtsspezifischen Symbolen und Anwendungsbeispielen aus der Praxis.
  • ... und möchtest die Grundlagen dafür in einem praxisorientierten Workshop lernen? Dann ist vielleicht einer meiner Workshops für dich interessant...